Noch heute lässt sich westlich der Stadt Greifswald der Standort aufsuchen, von dem aus Friedrich – wenngleich mit einigen Idealisierungen – die Silhouette seiner Heimatstadt darstellte. Gut erkennbar sind die Türme der Marienkirche, des Doms Sankt Nikolai und von Sankt Jacobi sowie – dazwischen – der Dachreiter des Rathauses. Wie bei vielen seiner Werke konnte der Maler auch hier auf eine präzise Zeichnung zurückgreifen, die er vermutlich bereits um 1806 vor Ort angefertigt hatte. Das Gemälde beschränkt sich jedoch nicht darauf, die Fernsicht auf die Stadt getreu wiederzugeben. Vielmehr stellt es Greifswald ins Zentrum einer auffällig symmetrischen Komposition. Direkt an der Horizontlinie situiert, markiert die durch den Dunst entrückte Stadt den Übergang von der ruhigen, sattgrünen Landschaft zum wolkenlosen, lichterfüllten Himmel. Damit werden zwei grundlegend verschiedene Raumerfahrungen spiegelbildlich einander zugeordnet: Auf die uns zugängliche Gegenwart der Wiesen mit den Pferden, deren Entfernung von der Stadt klar bestimmbar ist, antwortet die unermessliche Weite des Himmels, der das Hier und Jetzt übersteigt.
Johannes Grave