Gemälde von Caspar David Friedrich mit dem Titel: »Sturzacker«, geschaffen um 1830

Öl auf Leinwand

47.7 x 35 cm


Inv. Nr.: HK-1053

Hamburger Kunsthalle, erworben 1905

Sturzacker, um 1830
Caspar David Friedrich

Es ist ja fast nichts zu sehen! So mag die erste Reaktion bei der Betrachtung von Friedrichs Gemälde Sturzacker (Anm. 1) sein. Und tatsächlich könnte man sich fragen, was es denn hier überhaupt zu entdecken gibt? Das Wenige ist schnell benannt: Ein frisch aufgeworfener Acker, auch Sturzacker genannt, schiebt sich querdiagonal ins Bild und wird am oberen Ende von einem schmalen Wiesenstück gesäumt. Zwischen Acker und Wiese zieht sich ein schmaler, etwas hellerer und von einzelnen Steinen begrenzter Streifen. Ein Wanderer mit Wanderstab ist schemenhaft im abendlichen Dunkel am hinteren Ende der Wiese zu erkennen. Sein Weg scheint ihn in Richtung eines Dorfes zu führen, das sich lediglich durch einige Dächer etwas weiter unten im Tal andeutet. Gesäumt wird die Hügelkante von einer Reihe größerer und kleinere Bäume, darunter wohl eine Espe links und eine Hängebirke rechts, und in der Mitte, etwas weiter zurückstehend, eine Reihe weiterer Laubbäume. Die Bäume nehmen die leichte Diagonale des Wiesenstücks auf.
Das wohl auffälligste Element im Gemälde ist jedoch die untergehende Abendsonne, die am Horizont hinter einer Bergkette noch einmal aufleuchtet und ihr gelbgoldenes Licht auf die schon in die Dämmerung getauchte Szene wirft. Die für Friedrich so typischen, extrem fein ziselierten, meist horizontal geschichteten Wolkenbänder wechseln sich mit diesen gelbgoldenen Himmelstücken in gleich mehreren Schichten ab.
Diese harmonische Gesamtwirkung wird durch die koloristisch reiche Farbwahl zusätzlich betont: Die zueinander komplementären Farbtöne Gelb und Violett werden mit einem weiteren Komplementärkontrast aus Blau und Orange gekoppelt und ergänzt. Die Farben dazwischen sind, wie so häufig bei Friedrich, extrem fein nuanciert und wer[1]den ins dunkle Kolorit der bald anbrechenden Nacht abgemischt, sodass sich auch hier Ruhe und Harmonie bei der Betrachtung des Bildes einstellen.
Frühere Interpretationen des insgesamt in der Friedrich-Literatur nur wenig erwähnten Gemäldes sehen bei dem ins Dorf zurückkehrenden Mann ein »Motiv der Einkehr oder Heimkehr als Gleichnis für den Tod« (Anm. 2). Auch ohne dieser eschatologischen Deutung direkt zu folgen, kann sich darauf verständigt werden, dass Friedrich hier eine auf nur wenige Bildelemente beschränkte Ruhelandschaft gemalt hat, deren fast meditativ zu nennende Komposition überaus typisch gerade für seine späten Bilder ist.

Kilian Heck
in: Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit, hrsg. von Markus Bertsch und Johannes Grave, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Berlin 2023, S. 266.

1 Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 425, Nr. 390.

2 Ebd.6 »Abend September 1824«.

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Bildnachweis
Hamburger Kunsthalle / bpkFoto: Elke Walford
Lizenz
Public Domain Mark 1.0