Zeichnung von Caspar David Friedrich mit dem Titel: »Sarg auf frischem Grab«, geschaffen um 1836

Bleistift

395 x 403 mm


Inv. Nr.: 41112

Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett

Sarg auf frischem Grab, um 1836
Caspar David Friedrich

Bei dem Blatt, das entgegen der bei Ludwig Hoch zu findenden Angabe nicht auf Transparentpapier ausgeführt wurde (Anm. 1), handelt es sich um keine Naturstudie, sondern um eine komponierte Landschaft, für deren einzelne Elemente Friedrich auf frühere Naturstudien zurückgriff: Für die Hintergrundsilhouette, die Hoch als die langgestreckte Gestalt des Schneeberges in der Böhmischen Schweiz identifizierte (Anm. 2), verwendete Friedrich ein Blatt vom 19. August 1806 in Oslo (Anm. 3); die Distel rechts geht zurück auf ein Skizzenbuchblatt vom 17. Juli 1799 in Berlin (Anm. 4), die Distel in der Mitte auf ein Skizzenbuchblatt vom 26. Juni 1799, ebenfalls in Berlin (Anm. 5), für die Distel links griff Friedrich auf ein Blatt vom 18. Juli 1813 in Oslo (Anm. 6) zurück. Auch der Baum neben dem Sarg, in dem geflochtene Kränze, ein Kruzifix und ein Anker hängen, dürfte auf eine Naturstudie zurückgehen, doch ist bisher kein entsprechendes Blatt bekannt geworden.
Die Pflanzen hat Friedrich kunstvoll um einen Sarg arrangiert, der im Zentrum des Bildes über einem ausgehobenen Grab steht. Unmittelbar vor dem Sarg liegen zwei sich kreuzende Spaten, ein Indiz dafür, dass das Grab kurz vorher ausgehoben wurde. Der erste Eindruck suggeriert ein Grab in einer weiten Landschaft, doch handelt es sich um einen von einer Mauer umgrenzten Friedhof.(Anm. 7) Darauf deuten nicht nur weitere kleine Kruzifixe in der linken und rechten Bildhälfte, sondern vor allem eine zweite, in Sepia ausgeführte Version des Motivs in Moskau.(Anm. 8) Dort ist die den Friedhof begrenzende, von Pflanzen überwucherte Mauer deutlich zu erkennen, die Friedrich auf dem Hamburger Blatt links und rechts des Sargs nur andeutet. Er war sich über die endgültige Form offensichtlich noch nicht im Klaren, wofür auch die beiden, scharf mit dem Bleistift gezogenen parallelen Linien auf Höhe der Pflanzen sprechen, die auch die Disteln überschneiden. Dass Friedrich noch mit der endgültigen Bildform rang, belegen auch die vor dem Sarg liegenden Spaten, die er ursprünglich parallel zum Sarg ausgerichtet hatte. Weitere Pentimenti bzw. Ausradierungen im Bereich des Sargs belegen zudem den noch nicht abgeschlossenen Arbeitsprozess.
Sigrid Hinz (Anm. 9) datiert das Blatt früh um 1805/07, doch legt der unmittelbare Zusammenhang mit der Sepiazeichnung in Moskau, die um 1836 entstand, auch für das Hamburger Blatt eine späte Entstehung nahe. Friedrich hat sich bei der zeichnerischen Ausführung weitgehend auf den Kontur beschränkt, einzig bei den Disteln geben Parallelschraffuren eine Binnenstruktur an. Zahlreiche Konturlinien – etwa am Sarg – sind mit einem härteren Bleistift noch einmal nachgezogen worden, doch wohl weniger zum Zweck der Übertragung – wie Grummt vermutet – als zur endgültigen Festlegung der Form. Trotzdem diente das Blatt im Werkprozess zur Übertragung, worauf nicht nur die auch bei anderen Blättern mit ähnlicher Funktion zu beobachtende Beschränkung auf den Kontur spricht, sondern auch die Einschwärzung der Rückseite mit schwarzer Kreide. Es diente für das Moskauer Blatt als Karton, worauf zu Recht erstmals Sumowski hingewiesen hat.(Anm. 10)

Peter Prange

1 Hoch 1987, S. 92.
2 Hoch 1987, S. 91.
3 Blick auf die Böhmische Schweiz, Bleistift, 118 x 182 mm, Oslo, Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Inv. Nr. NG. K & H B. 16069-031, vgl. Grummt 2011, S. 431-432, Nr. 454, Abb.
4 Distel und zwei Baumstudien, Bleistift, Feder in Schwarz, 238 x 189 mm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. SZ 66, vgl. Grummt 2011, S. 151-152, Nr. 126, Abb., dort auch die weiteren Verwendungen im Werk Friedrichs aufgeführt.
5 Pflanzenstudien, Bleistift, Feder und Pinsel in Grau, 237 x 190 mm, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. SZ 61, vgl. Grummt 2011, S. 146-147, Nr. 121 verso, Abb.
6 Pflanzenstudie und Bergmassiv, Bleistift, 189 x 120 mm, Oslo, Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design, Inv. Nr. NG. K & H B. 16043, vgl. Grummt 2011, S. 656, Nr. 695, Abb.
7 Rewald 1990, S. 82, nahm aufgrund der kargen Vegetation an, dass es sich um einen ländlichen Friedhof in Norddeutschland handelt.
8 Sarg am Grab, Bleistift, Pinsel in Braun, 392 x 394 mm, Moskau, Staatliches Puschkin-Museum der bildenden Künste, Inv. Nr. 6241, vgl. Grummt 2011, S. 877-878, Nr. 971, Abb.
9 Hinz 1966, S. 56, Nr. 363.
10 Sumowski 1970, S. 62.

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Bildnachweis
Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Chrsitoph Irrgang
Lizenz
Public Domain Mark 1.0