Für den aus Greifswald an der Ostsee stammenden Friedrich waren Meeresansichten von zentraler Bedeutung. Mit keinem anderen Bildgegenstand ließ sich die Entgrenzung des Naturraums überzeugender darstellen, als mit dem Meer. Weite Himmel und ferne, entrückte Horizonte am Meer machten für den Maler die Unendlichkeit von Zeit und Raum erfahrbar.
Als Metapher für die Lebensreise des Menschen ziehen in Friedrichs Meeresansichten regelmäßig Schiffe ihre Bahn, sie entfernen sich vom Ufer oder kehren heim. Aber auch das Scheitern, den Untergang, den Schiffbruch stellte Friedrich mehrfach dar. Eines seiner Bilder mit einem gestrandeten Wrack schenkte er seinem Bruder Adolf. Im Brief vom 1. Januar 1824 kommentierte der für sich und den Bruder auf bessere Zeiten hoffende Maler das Bild: »der Sturm läutert die Luft« (zit. nach: H. Börsch-Supan und K. W. Jähnig, Caspar David Friedrich, München 1973, S. 384).
Das großformatige Werk »Meeresküste bei Mondschein« zeigt eine nach einem Sturm wieder beruhigte, dunkle Meeresfläche bei Nacht mit einem in Küstennähe gestrandeten Segelschiff. Weiße Wellenkämme sind nur noch in weiter Ferne am Horizont zu sehen. Am Himmel türmen sich graue Wolkenmassen, die weit oben den in der Bildmitte stehenden Mond halb verdecken. Neben dem gekenterten, im flachen Wasser auf der Seite liegenden Wrack sitzen zwei Seeleute auf Steinen und haben ein Feuer entfacht, wohl auf Hilfe hoffend. Der Mast des Schiffes mit einer roten Fahne an der Spitze schneidet die Horizontlinie unterhalb des Mondes. Im Vordergrund liegen zahlreiche schwarze Felsblöcke am Strand. Der dort angespülte Rest eines Bootes, möglicherweise ein Ruder, ist kaum zu erkennen. Dahinter erstrecken sich bis zum Schiff aus dem Meer ragende, vom Wasser rundgeschliffene Steine. Als das Bild 1833 von seinem Besitzer, dem Berliner Verleger und Friedrich-Sammler Georg Andreas Reimer, in einer Ausstellung in Königsberg gezeigt wurde, beschrieb ein Rezensent das Werk bezeichnenderweise als »große schwarze Tafel« (F. Raabe, Hartungsche Zeitung, Juni 1833, S. 28, zit. nach: H. Börsch-Supan und K. W. Jähnig, Caspar David Friedrich, München 1973, S. 120).
Friedrich griff bei dieser Komposition auf eine im Juni 1826 am Strand von Sassnitz auf Rügen gefertigte Zeichnung zurück (Nationalmuseum Oslo). Auf einige der darauf im Vordergrund festgehaltenen Details, etwa zwei Holzkähne, ein Schiffsmast und mehrere Anker, verzichtete er im Gemälde. Die Zeichnung war ebenfalls Grundlage für seine große, wohl letzte in Öl ausgeführte Komposition »Meeresufer im Mondschein« (1836, Hamburger Kunsthalle). | Birgit Verwiebe
Meeresküste bei Mondschein, um 1830
Caspar David Friedrich
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Bildnachweis
Jörg P. Anders
Lizenz
Public Domain Mark 1.0