Gemälde von Caspar David Friedrich mit dem Titel: »Gebirgslandschaft mit Regenbogen«, geschaffen 1809/10

Öl auf Leinwand

102 x 69 x 7 cm


Museum Folkwang, Essen

Gebirgslandschaft mit Regenbogen, 1809/10
Caspar David Friedrich

Eindrücklich veranschaulicht dieses Gemälde Friedrichs Vorstellung eines subjektiven romantischen Naturerlebnisses. Ein Wanderer, der schon früh als Selbstbildnis des Künstlers gedeutet wurde, (Anm. 1) hat die grasbewachsene Kuppe eines Berges erreicht, der in den unmittelbaren Bildvordergrund ragt. Über seine in farblicher Hinsicht auffällige Kleidung, den am Boden liegenden Zylinder sowie den Wanderstock ist er eindeutig als Städter ausgewiesen. An einen Fels gelehnt hält der Mann inne, um die ihn umgebende Mittelgebirgslandschaft in sich aufzunehmen, die im nächtlichen Dunkel lediglich schemenhaft in Erscheinung tritt. Womöglich reflektiert er über seine Kleinheit angesichts der überwältigenden Größe der Natur.
Der Blick der Figur geht über die von Nadelbäumen bestandenen Hänge hinab ins Tal, wo weit unten der aufsteigende Nebel zu sehen ist. Auf der gegenüberliegenden Seite ragt ein kegelförmiger Berg in die Höhe, der das Zentrum der Komposition besetzt, die Horizontline überragt und dessen Gipfelpartie im Schnittpunkt der beiden Bilddiagonalen liegt. Für das Erscheinungsbild des Berges und seiner Umgebung orientierte sich Friedrich an einer Studie des Rosenbergs, die er am 12. Mai 1808 in der Böhmischen Schweiz angefertigt hatte. (Anm. 2) Vielleicht stand ihm bereits damals die spätere malerische Umsetzung des Berges und dessen damit verbundene Überhöhung vor Augen, da er ihn in der Zeichnung mit dem Notat »muß großer seyn« versah. (Anm. 3)
Im dargestellten Moment wird der Wanderer Zeuge eines seltenen atmosphärisch-optischen Naturphänomens. Über die gesamte Breite des Bildes spannt sich am dramatisch bewölkten Nachthimmel ein Regenbogen, dessen Präsenz die symmetrische Anlage der Komposition mit ihrer Ausrichtung auf die vertikale Mittelachse zusätzlich unterstreicht. Es könnte sich um einen Mondregenbogen handeln, der weitaus lichtschwächer ist als ein von der Sonne hervorgerufener Regenbogen. Im Bild ist links oberhalb des Bogenscheitels der silberne Schimmer des Mondes zu lokalisieren, der sein gedämpftes Licht in den Himmel entsendet. Nicht wirklich vereinbar mit der wiedergegebenen Beleuchtungssituation ist der aufgehellte Bereich im direkten Vordergrund, der die Figur des Wanderers und dessen unmittelbare Umgebung spotlightartig ausleuchtet. Die helle Partie wirkt so, als wäre sie von einer imaginären Lichtquelle außerhalb des Bildes erzeugt worden. Friedrichs Gemälde wurde auch von der feministischen Kunst rezipiert, wie die erstmals 1979 aufgeführte Performance Die einsame Spaziergängerin von Ulrike Rosenbach belegt. Das Bild ist darin in einer stark vergrößerten, auf dem Boden liegenden Schwarz-Weiß-Reproduktion präsent. Im Rahmen ihrer Performance schritt die Künstlerin die gekrümmte Linie des Regenbogens ab, um sich so unter anderem auf einen Ursprungsmythos der australischen Aborigines zu beziehen.

Markus Bertsch
in: Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit, hrsg. von Markus Bertsch und Johannes Grave, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Berlin 2023, S. 134.

1 Vgl. u. a. Einem 1938, S. 113; Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 308f., Nr. 183.
2 Grummt 2011, Bd. 2, S. 532– 534, Nr. 564. Von den vier auf diesem Blatt befindlichen Studien ist die zweite von oben dem Gemälde am ähnlichsten. Sie zeigt den Blick vom Großen Winterberg auf den Rosenberg. Zur Frage von Friedrichs Standort und der wiedergegebenen topografischen Situation vgl. Hoch 1987 b, S. 76.
3 Grummt 2011, Bd. 2, S. 532 f.

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Bildnachweis
Museum Folkwang Essen - ARTOTHEK