»Friedrich gehörte keineswegs zu den ganz Unbekannten. […] mit Staunen vernehmen wir einen Künstler, der Vieles und Ungewöhnliches zu sagen hat. […] Alle Konventionen der älteren Landschaftsmalerei […] verschwinden hier.«, 1906

»Friedrich gehörte keineswegs zu den ganz Unbekannten. […] Aber [seine Bilder] sprechen eine so leise Sprache, dass das eilige Galeriepublikum achtlos daran vorüberging. Erst jetzt, wo all diese bekannten mit vielen unbekannten Bildern aus Privatbesitz vereinigt wurden, kommt sein Wort zur Geltung und mit Staunen vernehmen wir einen Künstler, der Vieles und Ungewöhnliches zu sagen hat. Freilich ist das, was zu uns spricht, nicht gerade das, was seine Zeitgenossen heraushörten: der melancholische Grundton; die mythischen Erregungen, die Kreuze auf Bergspitzen geben, von einer Aureole aus Sonnenstrahlen umspielt; die Gefühlsschwelgerei […]. Diese ganze Romantik, […] tritt für uns zurück vor dem Neuen, das sich hier dem sehenden Auge an landschaftlicher Schönheit erschlossen hat. Was Philipp Otto Runge als Kunst der Zukunft vorschwebte, die Schilderung der Landschaft unter dem ewig sich wandelnden Spiel von Licht und Luft, tritt jetzt zum erstenmal auf deutschem Boden in die Erscheinung. Alle Konventionen der älteren Landschaftsmalerei, die auf der Betonung der festen Naturformen basierten, verschwinden hier. Da das Wesentliche die Wiedergabe des atmosphärischen Lebens, der Natur im Wechsel der Jahres- und Tageszeiten ist, so treten ganz neue Motive in den Kreis des Darstellbaren, die von dem nur für das Formale geschulten Auge nicht beachtet wurden. Der braune Acker, über dem das Abendrot leuchtet, die einsame Ebene, die sich in die blaue Dämmerung ferner Berge verliert, die feuchten Wiesen, über die Wolkenschatten steifen, das leicht bewegte Hügelland, auf dem der Silberduft eines blassen Frühlingstages liegt, die flachen Wellen des böhmischen Gebirges, zwischen denen die Morgennebel wallen, das ist der Inhalt der Friedrichschen Bilder, in denen wir die Anfänge einer bis in unsere Tage ansteigenden Entwicklung erkennen. Diese Anfänge sind schüchterner ihrer Ausführung als ihrer Tendenz nach. Die Malerei ist dünn und fast zaghaft, es fehlt ihr etwas die Lebensfülle des unmittelbar Geschauten. Man versteht das, wenn man hört, dass Friedrich nie ein Bild vor der Natur gemalt hat, dass er mit einer genauen Vorzeichnung begann und dann in langsam fortschreitender sorgsamer Arbeit die Farbe aus der Erinnerung auf die Leinwand brachte. Auf einem Bilde seines Freundes Kersting sehen wir ihn in seinem Atelier, blond, blauäugig, in grauem Wams, die Füße in Filzpantoffeln, wie er über einen Stuhl gebeugt, sein Bild, das auf einer Staffelei steht, prüfend betrachtet, an der kahlen Wand hängt eine Palette und ein Winkelmaß. Man denke an Manets Bild „Das Atelier von Monet“ [= Die Barke, 1874, München, Neue Pinakothek], der dargestellt ist, wie er in greller Sonne unter einem Zeltdach im Kahne sitzend malt.
Dieses träumerische Zarte ebenso wie die verfeinerte Beobachtung fehlen den Landschaften Dahls […].« – Hugo von Tschudi, in: Ausst.-Kat. Nationalgalerie, Berlin 1906, Bd. 1, S. XXVIf.

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