Im Park von Sølyst nördlich von Kopenhagen hatte Graf Ernst Schimmelmann im Jahre 1780 nach einem Entwurf von Nicolai Abildgaard einen Brunnen errichten lassen, der gleichzeitig als Denkmal für seine 1780 jung verstorbene erste Frau Emilia, geb. Gräfin von Rantzau, fungierte. Friedrichs Blatt mit der Ansicht des Denkmals entstand am 15. Mai 1797 als erstes einer Reihe von Brunnendarstellungen aus der Umgebung Kopenhagens (vgl. Kat. 1916-146) (Anm.1); die Inschrift auf dem Monument hat Friedrich auf dem Verso notiert.
Das Motiv erfreute sich in den folgenden Jahren unter dänischen Malern einer gewissen Beliebtheit, wohl auch deshalb, weil der norwegische Dichter Christen Henriksen Pram 1782 in seinem Gedicht „Emilias Kilde“ die landschaftlichen Reize des Parks beschrieben hatte. Werner Sumowski hat auf Jens Juels Gemälde „Emiliakilde“ (Anm.2) aus dem Jahr 1784 verwiesen (Anm.3), danach lässt sich das Motiv noch in einem Aquarell von Søren Laessøe Lange (Anm.4) aus dem Jahre 1800 und in einem 1804 gemalten, heute jedoch verschollenen Gemälde von Christoffer Wilhelm Eckersberg nachweisen. (Anm.5)
Gegenüber Juels und Langes nahezu frontalen Ansichten des Denkmals ist Friedrichs Seitenansicht ungewöhnlich. Die von Kluge deshalb vorgebrachte Kritik, das Blatt sei „enttäuschend durch die mangelhafte Perspektive und die Mißachtung der Maßverhältnisse“ (Anm.6), weshalb die ungeschickt gewählte Seitenansicht dem auf Frontalität konzipierten Denkmals in keiner Weise gerecht würde (Anm.7), geht an den Intentionen Friedrichs vorbei. Zwar sind die Schwächen ähnlich wie bei der Luisenquelle (Kat. 1916-147) in der Bewältigung der Perspektive und der gedrungeneren Proportionierung des Denkmals unverkennbar, doch geht es Friedrich nicht um die bildliche Inszenierung des Brunnens, die bei Juel und Lange im Vordergrund steht. Sie präsentieren das Denkmal mit dem zugehörigen Vorplatz, mit belebender Staffage und als integralen Bestandteil eines gepflegten, von Menschen erschaffenen Landschaftsparks. Von diesem Ansatz ist Friedrich jedoch weit entfernt: Friedrich musste sich für seine Ansicht einen Standort jenseits der Freifläche vor der Quelle suchen, doch verzichtet er vollkommen auf die Wiedergabe des Parks, es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Denkmal zu einem Park gehören könnte. Friedrich negiert die Ordnung des Parks, dessen vorgegebene Wege und Blickachsen, die Hauptansicht des Denkmals bleibt dem Betrachter verwehrt. Wie Johannes Grave ausgeführt hat, bietet sich dem Betrachter der Blick auf ein Denkmal, „das den Eindruck erweckt, in der Natur vergessen worden zu sein.“ (Anm.8) Friedrich gibt das Bild einer sich selbst überlassenen Landschaft, in die der Mensch nicht eingreift. Der bei Juel und Lange einzelne Parkabschnitte abgrenzende Zaun ist bei Friedrich dem Verfall anheimgegeben, die Vegetation ist wild, im Vordergrund sogar absterbend und ohne Eingriffe durch den Menschen. Friedrich konnte mit der Kombination von Monument und ungebändigter Landschaft an ähnliche Darstellungen seiner Kopenhagener Kollegen anknüpfen – etwa Elias Meiers „Denkmal an einem See“ (Anm.9) -, doch ist – darauf hat Johannes Grave hingewiesen – der Verzicht auf Staffagefiguren und der Bildaufbau neu. Das Gelände ist dem Menschen nicht zugänglich, die verschattete Zone im Vordergrund mit dem niedrigen Unterholz und den teilweise abgestorbenen Baumstümpfen wirkt wie eine Barriere, die den Zugang zu Denkmal verstellt. Es ist wahrscheinlich, dass Friedrich durch die Abwesenheit menschlicher Staffage den Gedanken an die irdische Vergänglichkeit verstärkt und die „intensive Stimmung des Verlustes“ durch die toten Baumstümpfe und die düstere Farbigkeit unterstreicht. Dazu mag auch gehören, dass der Bereich vor dem Denkmal die hellste Stelle auf dem Blatt, das von links einfallende Licht die nicht sichtbare Vorderseite des Denkmals hell erleuchtet. Mit den verschiedenen, farblich gegeneinander abgesetzten Raumzonen in Kombination mit dem verstellten Blick auf das Denkmal wendet sich Friedrich gegen einen konventionellen Blick auf das Denkmal, wie ihn Juel und Lange vorführen, aber auch im Vergleich zu den anderen Parkansichten seiner Kopenhagener Zeit tritt hier der vedutenartige Charakter am stärksten hinter eine empfindungsbeladene sentimentale Stimmung zurück. Man hat diesen Sentimentalismus mit dem Hinweis auf die Grabesmystik des 18. Jahrhunderts zu erklären versucht (Anm.10) oder mit dem in Kopenhagen verbreiteten sentimentalen Brunnenkult in Verbindung gebracht (Anm.11), doch ist die Vermittlung einer sentimentalen Stimmung gegenüber der irritierenden Form des Bildaufbaus nicht die Hauptintention Friedrichs.
Werner Sumowski hatte die stilistische Nähe zu Zeichnungen von Erik Pauelsen betont, und den Baumschlag auf eine Baum- und Blattstudie von Pauelsen zurückgeführt(Anm.12), deren Laubwerk durch ähnlich „dünne kleinteilige lineare Schnörkel“ und eine „getupfte Lavierung“ gegeben ist. (Anm.13) Stimmungsmäßig reflektiere Friedrich in den frühen Brunnenaquarellen allerdings Juels „milden Sentimentalismus“ (Anm.14), dessen Einfluss Sigrid Hinz besonders im Baumschlagschema und „im leichten, dünn aufgetragenen Kolorit“ sieht. (Anm.15) Tatsächlich schließt die flächige, teilweise getupfte Pinselarbeit, die erst durch den konturierenden Einsatz der darüber liegenden Feder ihre eigentliche Formbestimmung erhält, an Arbeiten Pauelsens und Christian August Lorentzen an, die zu Friedrichs Lehrern an der Akademie gehörten.
Auf der Rückseite des Blattes befindet sich eine Baumstudie, die der Beschriftung zufolge nach einer Vorlage von Johann Friedrich Wizany wohl erst in Dresden entstand. (Anm.16)
Peter Prange
1 Neben dem vorliegenden und Kat. 1916-146 gehören in diese Gruppe zwei Aquarelle mit Darstellungen der Frederiksberger Quelle bei Kopenhagen, die am 9. und 12. Juli 1797 entstanden sind: Fredericksberger Quelle, Feder in Braun und Aquarell über Bleistift, 218 x 168 mm, Staatliche Kunstsammlungen zu Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. C 1927-25, vgl. Grummt 2011, S. 82, Nr. 35, Abb.; Fredericksberger Quelle, Feder, Aquarell, 238 x 200 mm, Standort unbekannt, vgl. Grummt 2011, S. 83, Nr. 36, Abb.
2 Jens Juel, Emiliakilde, 1784, Öl/Lw, 50 x 38 cm, Odense, Fyns Kunstmuseum, Inv. Nr. FKM/1470, vgl. Ellen Poulsen: Jens Juel, Katalog, Bd. 1, Kopenhagen 1991, S. 105, Nr. 312, Abb.
3 Sumowski 1970, S. 53.
4 Søren Laessøe Lange, Emileakilde, 1800, Aquarell, Kopenhagen, Bymuseum, vgl. Kluge 1993, S. 23, Abb. 2 a.
5 Börsch-Supan 1973, S. 236.
6 Kluge 1993, S. 19.
7 Kluge 1993, S. 22.
8 Grave 2005, S. 76.
9 Elias Meyer, Denkmal an einem See, Aquarell, 122 x 167 mm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, vgl. Bailey 1991, S. 121.
10 Hartlaub 1916, S. 208.
11 Eimer 1960, S. 239.
12 Erik Pauelsen, Baum- und Blattstudien, Bleistift, Feder in Schwarz, Pinsel in Grau, 216 x 349 mm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Inv. Nr. Td 123, Bl. 11, vgl. Friedrich 1991, S. 192, Nr. 68, Abb.
13 Sumowski 1970, S. 51.
14 Sumowski 1970, S. 54.
15 Hinz 1966, Bd. 1, S. 29.
16 Grummt 2011 erwähnt die offensichtlich spätere Versoseite nicht.