»Vom Prof. Friedrich ist noch eine recht schöne große Landschaft hier«, schrieb das Literarische Conversations-Blatt anlässlich der Dresdner Akademieausstellung 1825, »eine einsame Gebirgsgegend. Trefflich sind die verschiedenen Tinten der höhern Bergregionen dargestellt: vorn, zwischen den sich thürmenden Basaltblöcken, drängen sich noch Gras und Bäumchen hervor, höher hinauf ziehen sich Nebel um die öden Bergrücken, ganz oben schimmern die Felsenstirnen, mit ewigem Schnee bedeckt, in ungetrübter Klarheit. Die völlige Einsamkeit hat hier etwas Schauerliches, man sehnt sich danach, wenigstens einen Adler oder eine Gemse zu erblicken: vergebens, kein Leben wohnt hier, als das der Luft und des Lichts, jeder Pulsschlag des Gefühls stockt in dieser Höhe!« (zit. nach: Literarisches Conversations-Blatt 1825, S. 888; auch zit. in: H. Börsch-Supan und K. W. Jähnig, Caspar David Friedrich, München 1973, S. 106).
Caspar David Friedrich war nie in den Alpen, dennoch malte er mehrere Ansichten dieses Gebirges. Für die Komposition seines Gemäldes »Der Watzmann« nutzte er verschiedene Vorlagen. Zentral war für ihn eine Aquarellstudie der Gipfelpartie, die sein Schüler Johann August Heinrich vor Ort festgehalten hatte (Nationalmuseum Oslo). Zudem verwendete er eigene Skizzen seiner Reise durch den Harz. Dem Motiv des Felsens in der Mitte des Vordergrundes liegen Zeichnungen des Trudensteins am Hohnekopf in der Nähe des Brockens vom 28. Juni 1811 zugrunde (Standort unbekannt).
Bereits 1824 hatte Friedrich eine großformatige Alpenlandschaft in Dresden präsentiert. Auf dem Bild war ein Blick zum Mont Blanc dargestellt (»Hochgebirge«, Öl auf Leinwand, 131 x 167 cm, ehemals Nationalgalerie Berlin, Kriegsverlust). Wie beim »Watzmann« diente auch hier eine fremde Zeichnung als Vorlage, in diesem Fall ein Blatt von Carl Gustav Carus.
Friedrich malte seinen »Watzmann« wohl in Reaktion auf das denselben Gipfel zeigende, 1824 in Dresden ausgestellte Werk des 23-jährigen Ludwig Richter (Neue Pinakothek, München). Detailreiche, erzählerische Darstellungen wie diese lehnte er ab.
In Friedrichs Bild erscheint der in hellem Licht liegende, die Größe und das Unermessliche der Natur verkörpernde Gletscherberg fern und entrückt, wie ein Symbol göttlicher Majestät. Kein lebendiges Wesen ist in der Einsamkeit dieser Hochgebirgslandschaft zu erkennen. Die pyramidale Komposition gipfelt im strahlenden Weiß des ewigen Eises, eine Bildidee, die Friedrich schon zwei Jahre zuvor in seinem berühmten Gemälde »Das Eismeer« (Hamburger Kunsthalle) entwickelt hatte. Eberhard Hanfstaengl, der den »Watzmann« für die Berliner Nationalgalerie erwarb, bewunderte Friedrichs »bildnerische und dichterische Kraft […], mit der er eigenes und fremdes Naturbild in eine phantasievoll gesteigerte Form bringt, die alles Vedutenhafte verliert und zu einem Inbegriff der Gebirgsdarstellung wird« (E. Hanfstaengl, Vier neue Bilder von Caspar David Friedrich, in: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen, Bd. 58, 1937, S. 223). | Birgit Verwiebe
Der Watzmann, 1824/25
Caspar David Friedrich
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Andres Kilger
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