Die in starker Untersicht dargestellte, steile Felskuppe hat Börsch-Supan 1973 erstmals unter Hinweis auf Friedrichs Radierung „Felsmassiv mit Höhlen und Mauerwerk“ (Anm. 1) als den nördlich von Blankenburg im Harz gelegenen Regenstein identifiziert. Die Lokalisierung der Bergkuppe beruht auf der rückseitigen Bezeichnung, die ein Exemplar der Radierung in Wolfenbüttel trägt: „Nach dem Dänen Bundsen der Regenstein im Harz“. Diese Lokalisierung ist bisher nur von Tina Grütter angezweifelt worden, die den Berg stattdessen als den Borschen bei Belin in Böhmen identifiziert.(Anm. 2) Das Hamburger Blatt ist unvollendet geblieben, oberhalb der in Feder konturierten Felskuppe sind Reste der Bleistiftvorzeichnung erkennbar, die jedoch die Reste der 1758 geschleiften Festung auf dem Regenstein andeuten könnten, allerdings auf Friedrichs Radierung deutlicher sichtbar sind.
Sigrid Hinz hatte das Blatt um 1824 datiert, doch besteht heute zu Recht Einigkeit über eine frühere Entstehung. Friedrichs Radierung trägt in der Platte die Angabe, dass sie „vom 3t zum 9t Januar 1800“ entstanden ist. Diese Angabe korrespondiert mit der heute verschollenen unmittelbaren Vorzeichnung, die die Datierung „den 25t December 99“ trägt.(Anm. 3) Auch das Hamburger Blatt dürfte um 1799 entstanden sein, stilistisch steht es dem Düsseldorfer Blatt „Bauernhäuser vor Berghang“ besonders nahe, das am 4. August 1799 entstand.(Anm. 4) Es weist nicht nur dieselbe Technik auf, sondern ist vor allem in der Strichführung bei der Angabe der belaubten Bäume, aber auch in dem immer wieder abbrechenden Kontur vergleichbar. Aufgrund der Übereinstimmung in der Technik und in motivischen Details auf beiden Blättern hat man im Hamburger Katalog von 1974 angenommen, dass es sich bei dem Hamburger Blatt „um eine verworfene Vorform oder Zwischenstudie“ für die Düsseldorfer Zeichnung handeln könnte, die Friedrich als Vorlage für eine Radierung diente (Anm. 5), doch bleibt der angenommene motivische Zusammenhang zwischen beiden Blättern unklar.
Die Identifizierung der Bergkuppe als Regenstein und die frühe Datierung des Blattes um 1799 sind indes nicht unproblematisch, denn eine Reise Friedrichs in den Harz ist erst im Sommer 1811 nachweisbar, als er mit dem Bildhauer Christian Gottlieb Kühn dort eine Wanderung unternahm.(Anm. 6) Da das Wolfenbütteler Exemplar der Radierung den Vermerk „Nach dem Dänen Bundsen der Regenstein im Harz“ trägt, stellt sich die Frage, ob Friedrich Radierung und die Vorzeichnung nach einer Vorlage Bundsens angefertigt hat, und ob dies auch auf das Hamburger Blatt zutreffen könnte. Allerdings muss sich der Vermerk auf der Radierung nicht zwangsläufig auf eine solche Abhängigkeit beziehen; gemeint sein könnte auch, dass Bundsen die topographische Bestimmung als Regenstein verdankt wird. Das Hamburger Blatt, das motivisch mit der Radierung in engem Zusammenhang steht, weist jedenfalls keine Merkmale auf, die auf eine Abhängigkeit von einer Vorlage schließen lassen könnten, weshalb man von einer Naturstudie ausgehen sollte.
Peter Prange
1 Börsch-Supan 1973, S. 246, Nr. 30.
2 Grüttner 1986, S. 110. Siehe dagegen aber Friedrichs Ansicht des Borschen vom 5. September 1835, vgl. Grummt 2011, S. 870-871, Nr. 962, Abb.
3 Felsmassiv mit Höhlen und Mauerwerk, Feder in Schwarz, 161 x 232 mm, ehemals Sammlung Friedrich Augusts II., vgl. Grummt 2011, S.177-178, Nr. 162, Abb.
4 Bauernhäuser vor Berghang, Bleistift, Feder in Schwarz, Pinsel in Grau, 230 x 190 mm, Düsseldorf, museum kunst palast, Graphische Sammlung, Inv. Nr. 1921/239, vgl. Grummt 2011, S. 173-175, Nr. 155, Abb.
5 Bauernhäuser vor Berghang, Radierung, vgl. Börsch-Supan 1973, S. 244-245, Nr. 27, Abb.
6 Vgl. Zschoche 2000, S. 42-70