Gemälde von Caspar David Friedrich mit dem Titel: »Der Greifswalder Hafen«, geschaffen um 1818/20

Öl auf Leinwand

70 x 90 cm


Inv. Nr.: A II 356

Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

Der Greifswalder Hafen, um 1818/20
Caspar David Friedrich

Die an der Ostsee gelegene Universitäts- und Hafenstadt Greifswald war Friedrichs Geburts- und Heimatstadt, mit der er Zeit seines Lebens eng verbunden blieb. Hierher kehrte er regelmäßig zurück, sei es, um seine Verwandten zu besuchen, sei es, um auf Wanderungen skizzierend die weitere Umgebung zu durchstreifen. Greifswald war auch der Ort frühzeitiger traumatischer Erfahrungen. Friedrichs Kindheit wurde durch den Tod ihm nahestehender Menschen erschüttert, was seinen Hang zur Schwermut gewiß vertiefte: Seine Mutter starb, als er sieben Jahre alt war, ein Jahr später starb seine Schwester, und im Alter von dreizehn ertrank vor seinen Augen der ein Jahr jüngere Bruder beim Eislaufen.
Als Gleichnis der Lebensreise, auf die Gefahren, Ungewißheiten und die Endlichkeit ihres Verlaufs verweisend, sind in Friedrichs Gemälden die heimkehrenden oder bereits vor Anker liegenden Schiffe und Boote dargestellt. Ein besonders prächtiges, großes Segelschiff, dessen Bestimmung es ist, im Unterschied zu den Booten der Fischer, die Weiten der Meere und Ozeane zu durchziehen, hat Friedrich bedeutungsvoll ins Zentrum seiner Komposition gerückt. Vor der Stadtsilhouette, topographisch genauestens mit den Umrissen der Greifswalder Marien-, Nikolai- und Jacobikirche beschrieben, ragen die Masten des Schiffes auf. Über der irdischen Geschäftigkeit der Fischer und Matrosen erhebt sich das abendliche Firmament in goldschimmernder Unermeßlichkeit.
Die Nationalgalerie erwarb das Gemälde 1919; ihr damaliger Direktor Ludwig Justi würdigte Friedrichs Werk in seiner zwei Jahre später erschienenen Publikation zur Sammlung der Nationalgalerie: »Die heimliche Musik dieses Bildes erschließt sich uns erst, wenn wir die innere Belebtheit des Schiffes fühlen […] Inbrunst und Sehnsucht und Träumerei lebt in diesen scheinbar so sachlich wiedergegebenen Formen« (L. Justi, Deutsche Malkunst um 19. Jahrhundert, Berlin 1921, S. 315–316). | Birgit Verwiebe

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Bildnachweis
Jörg P. Anders
Lizenz
Public Domain Mark 1.0