Gemälde von Caspar David Friedrich mit dem Titel: »Abendlicher Wolkenhimmel«, geschaffen 1824

Öl auf Leinwand

21.2 x 12.5 cm


Inv. Nr.: 2379

Österreichische Galerie Belvedere, Wien

Abendlicher Wolkenhimmel, 1824
Caspar David Friedrich

In den Jahren nach 1800 avancierte der Himmel zu einem maßgeblichen Bezugspunkt für die Kunst. Diese Orientierung war neu und stand ganz im Zeichen einer naturwissenschaftlichen Durchdringung der Welt. Wurden die Pflanzen und Gesteine bereits im Laufe des 18. Jahrhunderts systematisch erfasst, leistete dies für die Wolken kurz nach der Jahrhundertwende der Engländer Luke Howard. In seinem 1803 erschienenen Essay On the Modification of Clouds klassifizierte er die flüchtigen Himmelsgebilde nach bestimmten Typen und gab ihnen damit erstmals Namen. Seine Forschungen entfalteten schon bald auch auf dem Kontinent ihre Wirkung. So beschäftigte sich Goethe, der ein großes Interesse an der Meteorologie entwickelt hatte, ab 1815/16 intensiv mit den Theorien von Howard, dessen Essay zu diesem Zeitpunkt bereits in einer deutschen Übersetzung vorlag. (Anm. 1) Getragen von seinem Wunsch, eine Brücke zwischen Kunst und Wissenschaft zu schlagen, kontaktierte Goethe 1816 Friedrich, um ihn dafür zu gewinnen, Wolkengemälde im Sinne Howards umzusetzen. Die Anfrage war nicht aus der Luft gegriffen, denn Friedrich hatte sich bereits 1799/1800 und dann verstärkt 1806 – 1808 zeichnerisch mit Wolken befasst. (Anm. 2) Doch eine noch wichtigere Rolle als die Studienzeichnungen, die Goethe wohl allenfalls punktuell bekannt waren, dürfte der in seiner Kunst essenzielle Faktor des Atmosphärischen gespielt haben. Dennoch scheute sich Friedrich nicht, Goethe eine Absage zu erteilen. Dem Brief der Weimarer Malerin Louise Seidler an den Dichter vom 8. Oktober 1816 lassen sich seine grundsätzlichen Vorbehalte entnehmen. So sorge sich Friedrich, dass dadurch »die leichten freien Wolken sklavisch in diese Ordnungen eingezwängt« würden. (Anm. 3) Es bedurfte einer Anregung von künstlerischer Seite, um Friedrich einige Jahre später nochmals für das Himmels- und Wolkenthema zu begeistern. Unter dem Einfluss des ebenfalls in Dresden lebenden Norwegers Johan Christian Dahl, der zu den profiliertesten Ölskizzenmalern seiner Zeit zählte, verschrieb sich Friedrich im Herbst 1824 über einen kurzen Zeitraum dieser avancierten Technik. Lediglich drei Skizzen von seiner Hand haben sich erhalten, (Anm. 4) zu denen neben dem Abend auch der Abendliche Wolkenhimmel zählt (Anm. 5). Zwischen den Wolken, deren intensives Violett der bestimmende Ton dieser Komposition ist, öffnet sich gerade ein schmaler Spalt, der uns einen Durchblick auf den Himmel gewährt. Dessen helles Blau kontrastiert mit dem Ton der Wolken. Der Abglanz der untergegangenen Sonne bestimmt schließlich das koloristische Erscheinungsbild des Himmels weiter unten, akzentuiert durch mehrere horizontal verlaufende Lichtbahnen. Beschlossen wird die Komposition von einem schmalen Terrainstreifen. Gleichsam als Beglaubigung des Gesehenen hat Friedrich rechts unten mit dem Pinselstiel in die noch feuchte Farbe die Tageszeit, den Monat und das Jahr geritzt. (Anm. 6)

Markus Bertsch
in: Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit, hrsg. von Markus Bertsch und Johannes Grave, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Berlin 2023, S. 254.

1 Ausst.-Kat. Frankfurt am Main/Weimar 1994, S. 518.

2 Grummt 2011, Bd. 1, S. 124 – 133, Nr. 103 – 107, 109 u. S. 436 – 443, Nr. 460 – 470.

3 Hier zit. nach Benz 1941, S. 139. Vgl. Lichtenstern 1974, bes. S. 81; Busch 1994, S. 523 f.

4 Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 392 f., Nr. 318–320.

5 Ebd., S. 392, Nr. 318.

6 »Abend September 1824«.

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Bildnachweis
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, WienCC BY-SA 4.0.
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